Samstag, 16. Juli 2011

Experten zerpflücken Stresstest

"Die Ergebnisse des Bankenstresstests zeigen, dass die Kapitalausstattung der teilnehmenden deutschen Banken (...) sich unter den pessimistischen Annahmen des Stresstests als robust erwiesen hat", sagte die Vizepräsidentin der Bundesbank, Sabine Lautenschläger. "Der deutsche Bankensektor hat seine Widerstandsfähigkeit bewiesen", betonte auch Raimund Röseler, neuer Leiter Bankenaufsicht bei der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wertete die Resultate des Tests als Beleg für die Krisenfestigkeit der Branche. Er sprach von einem "positiven Signal". Die EU-Kommission erklärte, die Institute seien stärker als in der Vergangenheit.
Weichgespült

So einmütig die politische Bewertung des Tests auch ausfällt, verstummen auch nach dem Test nicht laute kritische Stimmen, die die Belastbarkeit der Resultate in Zweifel ziehen. "Alle vergleichsweise großen Banken haben bestanden", sagte etwa Analyst Kevin Kruzenski von KeyBanc Capital Markets. "Das hat die Märkte beruhigt." Die nächste Frage sei aber, ob die Prüfung wirklich hart genug gewesen sei.

Seine Kollegen aus Banken und Wissenschaft finden noch deutlicherer Worte: "Da wurde eine große Chance für glaubwürdige Tests vertan", kritisierte Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance & Management. "Mit nur acht Durchfallern kann kein Vertrauen wiederhergestellt werden", sagte Michael Symonds, Kreditanalyst von Daiwa Capital Markets. Politisch geschönt Der Bankenexperte und Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke, erkennt in dem Test die Handschrift der Politik. "In dem Stresstest stecken auch politische Interessen", sagte Gerke der "Saarbrücker Zeitung". "Er ist immer noch zu großzügig gewesen, was die Möglichkeit der Insolvenz eines europäischen Landes angeht", meinte Gerke. "Man will einfach nicht zugeben, dass Griechenland vor einer Pleite steht".

Donnerstag, 14. Juli 2011

Griechen leeren ihre Bankkonten

Griechenlands Bankrott ist noch nicht abgewendet. Und so schwindet allmählich das Vertrauen der Menschen in das heimische Bankensystem. Sie plündern ihre Bankkonten und bringen die Geldinstitute in Schwierigkeiten. Einer, der zurzeit viel zu tun hat, ist Vangelis Kritikós. Der Schiffsunternehmer und Überlebenskünstler, der sein erstes Geld als Werftbesitzer in Ghana verdiente und heute unter anderem Touristenfahrten auf der Insel Kos anbietet, hat schon vor zwölf Jahren einen Verein gegründet, der sich dem Schutz von Kreditnehmern und Kleinanlegern widmet. Er hilft Bankenkunden, Wege aus der Überschuldung zu finden. Aber auch Kleinanleger, die Angst um ihre Ersparnisse haben, suchen bei ihm Rat – in letzter Zeit sogar immer öfter.

Kapitalflucht im großen Stil
"Anfangs waren es vor allem die Reichen, die ihr Geld ins Ausland schafften – wohl auch deswegen, weil ein Teil ihres Einkommens überhaupt nicht versteuert war", erklärt Kritikós. Doch mittlerweile würden auch herkömmliche Anleger und Kleinsparer ihre Bankkonten leer räumen. "Es gibt sogar Leute auf dem Land, die ihr Geld im eigenen Garten vergraben, wie in alten Zeiten", erzählt der Athener Unternehmer. Außerdem müssten viele Menschen ihre Ersparnisse angreifen. Kritikós glaubt, dass sich der Run auf die Banken fortsetzen wird.  Der griechische Bankenverband hat wiederholt erklärt, dass Spareinlagen bis 100.000 Euro pro Kunde sicher seien. Dennoch werden viele Griechen durch Spekulationen über eine drohende Staatspleite verunsichert. Da die Kontoeröffnung im europäischen Ausland rechtmäßig ist, kann die Regierung auch nicht verhindern, dass Milliarden nach Zypern oder in die Schweiz geschafft werden; auch deutsche und britische Banken profitieren von den risikoscheuen griechischen Anlegern. Andere wiederum möchten ihr Geld nicht auf ausländische Banken überweisen, sondern lieber von zu Hause aus in sichere Papiere investieren, beobachtet Vangelis Haratsís, Finanzanalyst und Leiter einer Athener Finanzdienstleistungsfirma.

Ratingagenturen drohen USA mit Abwertung

Der politische Kampf um die Erhöhung der Schuldenobergrenze in den USA nimmt an Dramatik zu. Die Ratingagentur Moody's drohte dem Land mit der Aberkennung seiner Topbonität. Auch eine chinesische Agentur hat Zweifel. Wegen des festgefahrenen Haushaltsstreits in den USA stellt die amerikanische Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit der weltweit größten Volkswirtschaft in Frage. Das Unternehmen prüft nach eigenen Angaben den Entzug der Bestnote "AAA" für US-Staatsanleihen.

Zur Begründung verwies Moody's auf die bisherige Unfähigkeit von Präsident Barack Obama, seinen Demokraten und den oppositionellen Republikanern, sich im Streit über eine Anhebung des Schuldenlimits von derzeit 14,3 Billionen Dollar - umgerechnet etwa 10,1 Billionen Euro - zu einigen. Der politische Stillstand erhöht laut Moody's die Gefahr, dass die Schuldenobergrenze nicht rechzeitig bis zum Stichtag, dem 2. August, erhöht werden kann. Somit gebe es "ein kleines, aber wachsendes Risiko" einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten.

"Ein tatsächlicher Zahlungsausfall, egal von welcher Dauer, würde Moody's Beurteilung über die Pünktlichkeit künftiger Zahlungen fundamental verändern", warnte die Agentur. Die Note "AAA" wäre nicht länger angemessen. Mitte April hatte bereits die US-Ratingagentur Standard & Poor's mit dem Entzug der Topbewertung für US-Staatsanleihen gedroht. Neben den amerikanischen Agenturen schwindet auch bei der chinesischen Ratingagentur Dagong das Vertrauen in die US-Wirtschaft. Selbst wenn sich Kongress und Weißes Haus noch über die Erhöhung der Schuldengrenze einigen sollten, werde die Kreditwürdigkeit wahrscheinlich herabgesetzt, heißt es in einem am Donnerstag (14.07.2011) in Peking veröffentlichten Papier. Die US-Regierung habe "kein überzeugendes Konzept zur Verringerung des Staatsdefizits".

Dagong, eine der führenden Agenturen des Landes, hatte die Kreditwürdigkeit der USA bereits im November viel niedriger als andere internationale Unternehmen beurteilt und von "AA auf "A+" gesenkt. Als größter ausländischer Kreditgeber der USA ist die chinesische Führung sehr besorgt über die Schuldenkrise der USA. Nach Angaben des amerikanischen Finanzministeriums hielt die Volksrepublik im April 1,152 Billionen US-Dollar an Schatzanleihen.

Samstag, 2. Juli 2011

Marktmissbrauch durch Twitter?

Lange Gesichter beim Kurznachrichtendienst: Mehrere US-Medien berichten, dass die Wettbewerbshüter der US-Handelsbehörde FTC Twitter aufs Korn genommen haben. Der Vorwurf lautet demnach, dass der populäre Dienst seine Konkurrenten unterdrückt, um mehr Werbeeinnahmen zu erhalten. Es seien mehrere Beschwerden bei der FTC eingegangen, dass Twitter es anderen Entwicklern erschwere, passende Software für den Kurznachrichtendienst zu entwerfen, berichtete die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag unter Berufung auf eine eingeweihte Person. Twitter gegen UberMedia Twitter pflegte zuletzt tatsächlich ein eher gespanntes Verhältnis zu den Software-Entwicklern, die Apps für den Dienst programmieren. Die Internetfirma versucht, möglichst viele Nutzer direkt zu erreichen - etwa über die Twitter-Website oder die hauseigenen Smartphone-Apps.

Twitter war vor allem mit Internet-Unternehmer Bill Gross und dessen Holding UberMedia aneinander geraten. Gross hat eine Art Gegenpol aus zusammengekauften Twitter-Clients aufgebaut. Der Streit dreht sich letztlich um die Frage, wer die Werbeeinnahmen im Umfeld von Twitter-Mitteilungen kassiert. UberMedia bestätigte, von den Wettbewerbshütern kontaktiert worden zu sein und mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Streitpunkt Tweetdeck

Um seinen Stand zu stärken, hatte Twitter vor nicht allzu langer Zeit eines der führenden Programme für die Nutzung seines Dienstes aufgekauft: Tweetdeck. Twitter soll dafür 40 Mio. bis 50 Mio. Dollar gezahlt haben - das Geld muss erst mal wieder hereinkommen. UberMedia habe ebenfalls versucht, Tweetdeck zu kaufen, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf eingeweihte Personen. Die US-Wettbewerbshüter scheinen es derzeit auf die großen Internetfirmen abgesehen zu haben. Auch Suchmaschinen-Gigant Google muss sich unbequeme Fragen der FTC gefallen lassen. Für Twitter wären Auflagen problematisch: Dem Kurznachrichtendienst werden immer wieder Börsenpläne nachgesagt - Investoren wollen jedoch sicher sein, dass Twitter auch Geld verdienen kann.

Deutschland boomt sich in Krise

Die Zauberformel der deutschen Unternehmen ist im Wandel: Preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Niedrige Löhne, wenig Kosten, viel Wachstum - dies galt für lange Jahre als Erfolgsgleichung vor allem für die Exporteure. Nun droht das Motto: Höhere Löhne, mehr Kosten, weniger Wachstum. Die Preise für Rohstoffe und Energie sind seit längerem das Konjunkturrisiko Nr. 1 für die deutschen Firmen. "Das hat sich verschärft in den vergangenen eineinhalb Jahren - und zwar branchenübergreifend", sagt DIHK-Konjunkturexperte Dirk Schlotböller.

Besonders laut stöhnen Betriebe der Gummi- und Kunststoffbranche, Nahrungsmittelkonzerne und Metallerzeuger, wie aus der jüngsten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter 24.000 Unternehmen hervorgeht. Viele See- und Küstenschiffer führen bereits langsamer, um teuren Treibstoff zu sparen Eisenerz 50 Prozent teurer Importierte Energie kostete im Mai gut 30 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Für Rohöl mussten die Unternehmen 35 Prozent mehr berappen. Auch andere Rohstoffe verteuerten sich mächtig: Eisenerz kostet 50 Prozent mehr. Für steigende Preise sorgt auch der Nahrungsmittelsektor: Importiertes Getreide lag im Mai 70 Prozent über dem Vorjahresniveau, Rohkaffee 60 Prozent darüber.

Die Großhändler machen dafür Ernteausfälle, Umweltkatastrophen und das russische Exportverbot für Weizen verantwortlich. Langfristig dürfte nach Ansicht des Branchenverbandes BGA Getreide teurer werden - wegen der steigenden Nachfrage aus China im Zuge des steigenden Wohlstands.
Inflation schlägt zu

Die anziehenden Preise schlagen immer mehr auf die Verbraucher durch. Die Teuerung lag im Juni bei 2,3 Prozent und damit deutlich über der Marke von knapp zwei Prozent, bis zu der die Währungshüter der Europäischen Zentralbank von stabilen Preisen reden. "Die Inflationsrate wird spätestens nach der Sommerpause einen neuen Anlauf in Richtung drei Prozent nehmen", sagt Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt von Unicredit.

"Die Unternehmen nutzen mehr und mehr die Möglichkeit, gestiegene Kosten zunehmend auf ihre Kunden zu überwälzen." Die Spielräume dafür seien größer geworden dank der guten Konjunktur und der Rekord-Beschäftigung. Die Commerzbank spricht gar von ersten Schattenseiten des Aufschwungs.
Löhne als Kostenschub

Allerdings spüren die Firmen Ungemach auch von woanders: "Von der Lohnseite ist ein Kostenschub unterwegs", betont Roland Döhrn, Chefökonom des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Erstmals seit langem steigen die effektiven Löhne schneller als die tariflich fixierten. Offenbar gebe es wieder mehr Überstunden, sagt Döhrn. "In einigen Bereichen sind Arbeitskräfte knapp und die Firmen bereit, Zulagen für gute Leute zu zahlen."

Im Aufschwung fällt es Gewerkschaften ohnehin leichter, Lohnerhöhungen durchzusetzen. Als Beleg dafür sieht Döhrn die rasche Einigung im Einzelhandel, wo sich Tarifkonflikte in der Vergangenheit oft über ein Jahr hinzogen. "Die haben relativ geräuschlos drei Prozent durchgesetzt", staunt Döhrn.
Meinungen gehen auseinander

Das gewerkschaftsnahe WSI-Institut sieht deshalb aber noch lange keine "nennenswerte Kostensteigerung" für die deutschen Betriebe. "Viele Dax-Unternehmen haben Boni gezahlt. Das ist immer ein Hinweis darauf, dass die Geschäft gut laufen", sagt Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs.

Die Essener RWI-Forscher erwarten wie die Bundesbank, dass die Lohnstückkosten im nächsten Jahr um 1,7 Prozent klettern, während sie 2010 noch um ein Prozent gesunken waren. "Das führt zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit", sagt Döhrn, fügt aber hinzu: "Es wird nicht der Supergau für die Firmen werden." Auf jeden Fall hält der Preisdruck die Unternehmen weiter in Atem: "Man kann noch keine Entwarnung geben bei der Inflation", warnt Unicredit-Experte Rees.